AUSBAUFÄHIG
Die Donau als Verkehrsachse der europäischen Bioenergiewirtschaft

Ein Ergebnis des inzwischen abgeschlossenen EU-Projektes „Energy Barge” ist eine Internet-Plattform für umweltfreundliche Biomasse-Logistik. Doch Infrastruktur und Verarbeitungsmöglichkeiten unterscheiden sich stark in den Anrainerländern.
Uber 2.8A5 Kilometer fließt die Donau von ihrer Quelle im Schwarzwald bis zu ihrer Mündung ins Schwarze Meer. Mit Deutschland und Österreich an ihrem Oberlauf verbindet sie zwei europäische Pioniere in Sachen biogene Energieträger mit mittel- und südosteuropäischen Ländern, die trotz guter Voraussetzungen für die Verwertung von Biomasse zur Erzeugung von Elektrizität oder Kraftstoffen zurückliegen. Die EU möchte mit dem Transfer von Know-how die Donau hinab der gesamten europäischen Bioenergiewirtschaft nachhaltige Impulse geben.
Fünfzehn Projektpartner aus den sieben Donauanrainerstaaten Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Rumänien bildeten von Anfang 2017 bis Mitte 2019 das EU-Projekt „Energy Barge – Aufbau eines grünen Energie- b Logistikgürtels”. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) koordinierte und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanzierte es. Energy Barge erfasste nicht nur die Biomasse-Märkte an der Donau, sondern entwarf auch Szenarien, wie Europas zweitlängster Fluss zur Entwicklung der europäischen Bioenergiewirtschaft beitragen könnte. „Rund vierhundert Menschen nahmen an unseren Workshops und Konferenzen in allen beteiligten Ländern teil”, zeigt sichThies Fellenbergvon der FNR, Projektkoordinator von Energy Barge, mit Verlauf und Ergebnissen des Projektes zufrieden. „Es ist uns gelungen, ein Bewusstsein für die nachhaltige Nutzung grüner Energie aus Biomasse zu schaffen. Und wir konnten das Potenzial der Binnenschifffahrt auf der Donau zum Transport von Bioenergieprodukten aufzeigen”, sagt er.

Foto: Fellen berg/FNR
Intemetplattform für Biomasse-Logistik
Als greifbares Resultat von Energy Barge nennt er die „Modal Shift Platform” für umweltfreundliche Biomasse-Logistik. Über die Projekt-Internetseite stellt sie detaillierte Informationen zu den nationalen Bioenergiemärkten entlang der Donau und den dortigen Transport- und Umschlagsmöglichkeiten für Biomasse bereit. Mindestens drei Jahre soll die Plattform online bleiben, um ihren Nutzern das Knüpfen von Partnerschaften entlang der regionalen Wertschöpfungs- und Lieferketten zu ermöglichen. „Die holzige Biomasse ist und bleibt der vorherrschende Bioenergierohstoff an der Donau: sowohl von ihrem Potenzial her, als auch von ihrer tatsächlichen Nutzung”, erklärt Thies Fellenberg.

Fotos: Zoltan irö/Mahart
Eine im Rahmen von Energy Barge erstellte Tabelle weist für Donauländer wie Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Kroatien große Potenziale für Reststoffe aus der Forstwirtschaft und der Holzindustrie aus. Auch die lukrativeren, beim Transport aber teils anspruchs-volleren Agrar-Reststoffe könnten stärker energetisch genutzt werden. Deutschland, die Slowakei, Kroatien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verfügen zudem über ungenutzte Möglichkeiten zur Herstellung von Biokraftstoffen der ersten und zweiten Generation. Aufgrund der zentralisierten Infrastruktur zur Produktion von Biokraftstoffen und deren hohen Rohstoffbedarfs erachtet Thies Fellenberg das Binnenschiff auf der Donau als ein geeignetes Transportmittel für die Lieferketten – von Ölsaaten bis zu Endprodukten und Reststoffen. „Würden sich die Donauhäfen nicht nur als reine Umschlagsorte verstehen, sondern als Standorte für die Verarbeitung profilieren, könnte dies die Transportwürdigkeit der Biomasse auf dem Wasserweg weiter steigern”, sagt er. „Leider steht dem großen Rohstoffangebot in den südöstlichen Donauländern noch keine entsprechende Nachfrage für Endprodukte gegenüber”, konstatiert Fellenberg. Die noch unzureichende Wettbewerbsfähigkeit von Bioenergieträgern gegenüber preislich günstigeren fossilen Brennstoffen sei verantwortlich für die Diskrepanz zwischen verfügbarer Biomasse aus Land- und Forstwirtschaft und der Nachfrage durch Energieerzeuger und Endverbraucher in diesen Ländern. Zuweilen sich rasch ändernde politische Rahmenbedingungen kämen erschwerend hinzu.
Mehr Hafenausbau nötig
Fünf Donauhäfen – Straubing-Sand, Wien, Mahart-Freeport Budapest, Vukovar und Slovak Shipping and Ports JSC – beteiligten sich an Energy Barge. Im Laufe des Projekts führten sie Machbarkeitsstudien durch, wie ihre Hafenanlagen zu Handelszentren für Biomasse und Bioenergiepro-
dukte entwickelt werden könnten. Helfen könnte dabei eine Vereinfachung administrativer Prozesse für die Logistik in den Donauhäfen. Unter Berücksichtigung der örtlichen Marktsituation sowie technischer und finanzieller Gegebenheiten wurden zudem für jeden Hafen Investitionsprojekte erarbeitet.
Der Hafen Wien und der Mahart-Freeport Budapest investierten bereits in Pilotprojekte, um ihre Anlagen für den Umschlag von Pellets, Brennholz und Holzhackschnitzeln zu ertüchtigen. Ihre dabei gewonnenen Erfahrungen können als Modell für andere Häfen der Donauregion dienen, die das Geschäftsfeld der Lagerung, Verarbeitung und des Umschlags von Biomasse entwickeln wollen. Zuletzt kündigte die Slovak Shipping and Ports JSC an, im Hafen von
Bratislava 250.000 Euro in eine Anlage für Lagerung und Umschlag von Biomasse zu investieren.
Außer den Möglichkeiten zur besseren Nutzung des nachhaltigen Verkehrsträgers Binnenschiff für die aufstrebende Bioökonomie im Donauraum formulierten die Partner des EU-Projektes auch politische Empfehlungen für eine grenzüberschreitende Strategie zur Energiesicherheit in der Region. „Es wäre schön, die verantwortlichen Entscheidungsträger würden sie bei künftigen Entscheidungen berücksichtigen”, hofft Thies Fellenberg.
Ungleiche Entwicklung
Die Empfehlungen werfen aber zugleich Schlaglichter auf die jeweiligen Entwicklungsstadien der Bioenergie in den Teilnehmerländern.
Deutschland bescheinigen sie die „einzigartige Charakteristik”, entlang der Donau über ein reichhaltiges Angebot an Bioenergie-Rohstoffen zu verfügen sowie über moderne Verarbeitungstechnik und einschlägige Forschungsinstitute. Energy Barge empfiehlt, die Häfen Passau und Regensburg so zu modernisieren, dass über die Donau ankommende Biomasse-Ladungen effizienter gelöscht werden können und deutsche Verabeiter leichter an ihre Rohstoffe aus dem Osten Europas gelangen.
In Österreich, wo die Bioenergie nach Prognosen des Österreichischen Biomasse-Verbands (ÖBMV) bis zum Jahr 2050 zum bedeutendsten Energieträger werden könnte, wirken sich aktuell die politischen Turbulenzen nachteilig auf die Bioenergie-Branche aus. Wegen Unklarheiten über die künftigen Förderkonditionen wurde Ende August 2019 das Biomasse-Kraftwerk Wien-Semmering abgeschaltet. Der Hinweis der Energy-Barge-Experten, eine „kontinuierliche, transparente und berechenbare Politik und Gesetzgebung” sei für eine erfolgreiche Entwicklung einer nachhaltigen Bioenergiewirtschaft wichtig, klingt vor die-
sem Hintergrund plausibel.
In der Slowakei, wo schon jetzt Biomasse aus Holz in großen Mengen zur Wärmegewinnung genutzt wird, könnten Anreize nach Einschätzung von Energy Barge den Verbrauch weiter erhöhen. Damit Ungarn sein riesiges Potenzial an Biomasse effizienter nutzen kann, wird die Ausarbeitung einer Strategie zur „prioritären Nutzung von Biomasse für nahe an Donauhäfen gelegenen Fernwärmenetzen und kombinierten Kraft-Wärme-Anlagen” empfohlen. Ähnlich Empfehlungen erhielt Kroatien.

Foto: Hafen Straubing-Sand
Um das große Potenzial der rumänischen Donauhäfen für den Umschlag von Biomasse vor allem aus der Forst-, aber auch der Landwirtschaft zu nutzen, sollte Rumäniens Regierung nicht nur das Potenzial der Biomasse zur Stromerzeugung in Betracht ziehen, sondern auch das zur Wärmegewinnung. Zudem könnte die Ansiedlung biomasseverarbeitender Unternehmen in den Häfen selbst Transportkosten senken. Für Bulgarien wird kritisch angemerkt, dass dort gegenwärtig gar keine politische Unterstützung zur Erzeugung und Nutzung von Energie aus Biomasse existiert. Tatsächlich ist die Aufmerksamkeit der Re-
gierung des Balkanlands momentan fast ausschließlich auf die Realisierung von Großprojekten konventioneller Energieträger fokussiert, darunter die Errichtung eines zweiten Kernkraftwerks bei Belene an der Donau und die Gaspipeline Balkan Stream vom Schwarzen Meer zur serbischen Grenze. Grenzüberschreitend empfiehlt Energy Barge für die Donauregion: „Was die Biomasse-Rohstoffe angeht, sollten die Donauanrainerstaaten die Nutzung von Reststoffen aus der Forst- und Landwirtschaft erhöhen und durch transnationale Kooperation Synergien schaffen.”
Die nicht der Europäischen Union angehörenden Länder Serbien, Moldawien und Ukraine nahmen am Projekt Energy Barge nicht teil, entsprechend werden zu ihren Bioenergiewirtschaften keine Aussagen getroffen. Landschaftlich und klimatisch verfügen sie aber wie die übrigen Balkanländer über gute Ausgangsbedingungen für den Anbau von Holz und Energiepflanzen sowie deren Verwertung zu Bioenergieträgern. Als Mitglieder der in Wien ansässigen Energy Community sind diese Länder zudem angehalten, im Rahmen ihrer Vorbereitungen auf
einen angestrebten EU-Beitritt die EU-Direktiven zu erneuerbaren Energien und damit der Bioenerg

Alle Angaben nach Eurostat gemäß Bioenergy Statistical Report 2018

Einzelne Unternehmen bereits aktiv
Der Schweizer Spezialchemie-Konzern Clariant und die ungarische Tochter der irischen „ClonBio Group Ltd.” Pannonia Bio nennt Thies Fellenberg als zwei Unternehmen, die bereits jetzt exemplarisch im Sinne der Empfehlungen von Energy Barge arbeiten. Anfang September 2019 gab Clariant bekannt, an seinem Forschungsstandort in Straubing Miscanthus mittels seiner patentierten Sunliquid-Technik erfolgreich zu Zellulose-Ethanol verarbeitet zu haben. Zuvor hatte die kroatische Ölgesellschaft INA im Februar 2019 fast dreißig Tonnen Elephantengras auf ihrem Demonstrationsfeld geerntet und zu Clariant nach Straubing verschifft. Im südwestrumänischen Podari errichtet Clariant gegenwärtig ein Werk, das ab kommendem Jahr jährlich bis zu 50.000 Tonnen Zellulose-Ethanol herstel-len soll.
Die von dem Iren Mark Turley geführte Clonbio Group investiert 250 Millionen Euro in eine Bioraffinerie am Ufer der Donau bei Dunaföldvär im ungarischen Bezirk Tolna. Eigenen Angaben zufolge ist sie Europas größte Bioraffinerie und zählt zu den effizientesten weltweit. Sie produziert aus Weizen jährlich 500 Millionen Liter Bioethanol und verdreifachte fast ihre Produktion seit dem Start der Anlage im Jahr 2012. Die Aussichten von Pannonia Bio auf ähnlich hohes Wachstum sind gut; Marktbeobachtern zufolge soll der Markt für Produkte von Bioraffinerien in den kommenden Jahren um jährlich knapp zehn Prozent wachsen.

Weiteres Projekt DanubeValNet
Energy Barge war in den vergangenen Jahren nicht das einzige EU-Projekt mit dem Anspruch, Wissenstransfer zwischen führenden und sich entwickelnden Staaten auf dem Gebiet der Bioökonomie zu leisten. Zeitgleich mit ihm wurde das Projekt DanubeValNet durchgeführt. Es wurde von der Stuttgarter BioPro Baden-Württemberg GmbH geleitet und zielte darauf, neue biobasierte Wertschöpfungsketten in der Donauregion zu schaffen. Es richtete sich vor allem an Unternehmen, Institutionen und regionale Cluster. Im Rahmen von DanubeValNet sollten auch Bioraffinerien etabliert werden, um ein “strategisch-technologisches Rückgrat für eine erfolgreiche und unabhängige Bio-In-dustrie zu schaffen”. Über die energetische Dimension der Bioökonomie hinaus richtete DanubeValNet seinen Blick insbesondere auf die Entwicklung neuer biogener Werkstoffe für ökologisches Bauen, Gesundheitsprodukte und die Verpackungsindustrie. „Es ging uns darum,den Übergangvon einer nicht nachhaltigen Wirtschaft basierend auf fossilen Ressourcen hin zu einer nachhaltigen biobasierten Wirtschaftsweise voranzutreiben”, sagt Dominik Patzelt, Projektkoordinator von BioPro BW. Dies korrespondiere mit den wichtigen Herausforderungen der Donauregion: „durch eine Rohstoffwende die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren und klimaschädliche Emissionen zu verringern”, so Patzelt.
“Energie aus Pflanzen”, Frank Stier